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Sind Vergaben an ehrenamtliche Organisationen ausschreibungspflichtig?

27/02/2015

Nach der jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH ist auch bei einer Vergabe zu (lediglich) kostendeckenden Preisen im Oberschwellenbereich das Vergaberecht anzuwenden. Im Unterschwellenbereich kann von einem öffentlichen Vergabeverfahren abgesehen werden, wenn dies dem Ziel der flächendeckenden Gesundheitsversorgung und der Haushaltseffizienz dient.

Sachverhalt

Der EuGH stellte einleitend fest, dass die Richtlinie 2004/18 (Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge) grundsätzlich anzuwenden ist, da auch eine lediglich kostendeckende Entlohnung „entgeltlich“ ist und daher solche Aufträge nicht aus dem Regime öffentlicher Aufträge fallen.

Für den Fall des Nichterreichens des Schwellenwertes hat der EuGH ferner geprüft, ob eine solche nationale Regelung den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung entgegensteht. Diese Grundsätze gelten nur dann, wenn ein Auftrag grenzüberschreitendes Interesse weckt. Dieses kann vorliegen, wenn das Volumen des Auftrages in Verbindung mit dem Leistungsort oder technische Merkmale des Auftrages als Kriterien dienen können. Dem Argument des Generalanwalts, dass ein grenzüberschreitendes Interesse schon deshalb vorliegen könnte, weil sich die betroffene Region in der Nähe von Frankreich befindet, ist der Gerichtshof nicht gefolgt. Der EuGH stellte jedoch fest, dass eine solche gesetzliche Regelung eine Ungleichbehandlung darstellen könnte. Diese könnte aber gerechtfertigt sein, weil die Ausgestaltung des Gesundheitswesens grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist. Der EuGH hielt fest, dass rechtliche Ausnahmen zulässig sind, sofern dadurch die Ziele der Aufrechterhaltung einer für alle zugänglichen ärztlichen Versorgung, der Solidarität und Haushaltseffizienz erreicht werden können. Er erachtete daher die gegenständliche Regelung als mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern die Tätigkeit dieser Organisationen tatsächlich einem sozialen Zweck und den Zielen der Solidarität und Haushaltseffizienz dienen.

Hingegen hatte der Generalanwalt die Ansicht vertreten, dass diese gesetzliche Regelung weder mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar, noch zu rechtfertigen sei. Er meinte, dass soziale Erwägungen und Haushaltseffizienz auch bei Durchführung eines transparenten Verfahrens einbezogen werden können, zumal auch ehrenamtliche Organisationen berechtigt sind an einem Verfahren zur öffentlichen Auftragsvergabe teilzunehmen und nicht erkennbar ist, warum sich ein Verfahren zur öffentlichen Auftragsvergabe nachteilig auf die Staatsfinanzen auswirken soll. Ganz im Gegenteil könne ein solcher Wettbewerb zwischen interessierten Bietern zu einer kostengünstigeren und effizienteren Wirtschaftsweise veranlassen.

Fazit

Erreicht der Auftragswert den Schwellenwert der Richtlinie 2004/18, können öffentliche Auftraggeber das Vergaberegime nicht dadurch umgehen, dass sie Aufträge an Organisationen/Unternehmen vergeben, denen lediglich entstandene Kosten ersetzt werden. Liegt der Auftragswert unter dem Schwellenwert, sind Ausnahmeregelungen im Gesundheitswesen zulässig, auch wenn den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung widersprechen, sofern durch diese die Ziele einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung und Haushaltseffizienz erreicht werden.

Quelle

  • Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl vom 30.04.2014, Rechtssache C-113/13
  • Urteil des Gerichtshofs vom 11.12.2014, Rechtssache C-113/13

Autoren

Foto vonMarlene Wimmer-Nistelberger
Marlene Wimmer-Nistelberger
Partnerin
Wien